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© Barbara Haiduck 2014

"Beluga"

Köln, Schlosspark Stammheim/Rheinufer 2014

Hinweisschild mit QR-Code

Foliendruck auf Aluminium

Schild: 52 x 38 cm

Gesamthöhe: 230 cm

© Barbara Haiduck 2014

Text:

Barbara Haiduck

"Beluga", 2014

Audiotext abrufbar über den QR-Code

 

Sprecher:

Christoph Wielinger

 

Tontechnik:

Zeus J. Borrmann

Leute, kommt! Dort, schaut!

Der weiße Wal ist in Sicht.

Ein Wal im Rhein? So was gibt’s ja gar nicht!

Doch, da schwimmt er! Da ist er!

Noch dämmert sein fahler Leib

in der brauntrüben, fließenden Tiefe.

Da, da bläst er!

Gleich muss er auftauchen.

Wir grüßen den arktischen Gast

aus dem hohen Norden.

Moby ­­­­­­– Moby Dick, so soll er heißen.

Überbringt er uns eine Botschaft?

Ist er ein Prophet der Weisheit,

ein Gesandter für Harmonie und Frieden?

Der Weiße, Bely!

Heilig und rein.

Wir alle wollen ihn sehen,

Auge in Auge,

leibhaftig.

Wir wollen ihm nahe sein.

Unser Moby!

Winkt ihm zu, er bringt uns Glück.

Was für eine Moby-Manie!

Harpuniert von Dr. Gewalt

in wilder Raserei der Jagd

wird Moby gehetzt und getrieben

mit Netzen und Stangen, Pistolen und Pfeilen.

Doch er entkommt Käptn Ahab’s Nachfahr,

dieser Wildfang,

dieser gewitzte Wal!

Lasst ihn doch ziehn.

Immer weiter schwimmt er,

flussaufwärts,

bald am Dom vorbei,

er windet sich gegen den Strom,

wälzt sich durch die schmutzigen Wellen.

Giftig und krank ist der Fluss –

Wir fordern einen blauen Himmel

über unserm Vater Rhein!

Dann nimmt Moby Kurs auf die Hauptstadt.

Empfängt die hohen Herren der Politik.

Aber es plagt den Schiffbrüchigen das Heimweh

und auch der Hunger.

Er wendet erschöpft

und schwimmt geschwind stromab.

Noch einmal steigt sein weißer Buckel empor

und blinkt in der Sonne aus den glitzernden Fluten.

Moby sagt Adieu!

Und reißt unsere Herzen mit fort.

Am 18. Mai 1966 meldeten Rheinschiffer bei Duisburg einen weißen Wal. Die Nachricht war kein rheinisches Seemannsgarn, sondern es schwamm tatsächlich ein vier bis fünf Meter langer Belugawal, der nach seiner literarischen Vorlage „Moby Dick“ genannt wurde, in den trüben, damals industrieverschmutzten Fluten des Rheins.

Ursprünglich sollte der Beluga in einen englischen Zoo gebracht werden. Das Transportschiff, aus Kanada kommend, kenterte jedoch fast bei schwerer See im Ärmelkanal. Der Wal wurde von Bord in die Nordsee gespült, von wo aus er über den Hafen von Rotterdam in den Rhein gelangte.

Der damalige Direktor des Duisburger Tierparks, Dr. Gewalt, der Moby Dick als weitere Zooattraktion vorführen wollte, blies zur Waljagd. Mit Netzen, Stangen, Narkosepistole und Harpunen versuchte man den arktischen Gast einzufangen. Die brachialen Fangmethoden des Zoodirektors sorgten für ein Medienspektakel („Karnewal am Rhein“/Westdeutsche Allgemeine) und der gewitzte Moby, der immer wieder entkam, avancierte zum Star. Er hatte bald die Sympathien der Bevölkerung sowie von Umwelt- und Tierschützern auf seiner Seite und auch offizielle, niederländische Proteste führten zum Einfangstopp.

Eine Woche nach seinem Auftauchen im Rhein schwamm der Wal flussabwärts Richtung Ijsselmeer. An der Schleuse Kornwerderzand, die extra für „Willy de Wal“, wie ihn die Niederländer nannten, zur Nordsee geöffnet wurde, machte er unerwartet kehrt und nahm wieder Kurs Richtung Deutschland. Dieses Mal ließ Moby Dick Duisburg schnell hinter sich. Er passierte stromaufwärts Köln am 9./10. Juni, schwamm bis nach Bonn und sprengte dort eine Bundespressekonferenz zur NATO-Politik, die im ufernahen Bundeshaus stattfand. Schließlich drehte Moby bei, kehrte stromab um und erreichte innerhalb von 48 Stunden am 16. Juni das offene Meer bei Hoek van Holland.

Vielfach wird berichtet, dass „Der weiße Wal aus dem Rhein“ zum Symbol der beginnenden Umweltschutzbewegung wurde. 1966 war „Vater Rhein“ in einem erbärmlichen Zustand: In dem stinkenden und sauerstoffarmen Strom lebten kaum noch Fische. Zum Glück war Moby ein Wal; als Fisch, der die Giftbrühe durch die Kiemen hätte atmen müssen, wäre er wahrscheinlich verendet.